Als Elvis Amoroso, Präsident des Nationalen Wahlrates (CNE) in Venezuela, in der Nacht des 28. Juli vor die Kameras trat, verkündete er den Wahlsieg Nicolás Maduros. Bei 80 Prozent der ausgezählten Stimmen habe der Amtsinhaber 51,2 Prozent geholt, das Ergebnis sei unumkehrbar. Ein Cyberangriff auf das Wahlsystem habe die Bekanntgabe der Ergebnisse verzögert, fügte Amoroso hinzu. Die darauffolgenden Wochen machten deutlich, dass die Präsidentschaftswahl keinen Beitrag dazu leistete, den destruktiven Machtkampf der vergangenen Jahre zu überwinden. Vielmehr verschärfte sich abermals die politische Krise, bei der sich interne Probleme mit geopolitischen Interessen vermischen.
Auch wenn die Wahlbedingungen bereits im Vorfeld alles andere als optimal waren, war es dem maßgeblichen Oppositionsbündnis »Einheitliche Demokratische Plattform« (PUD) im April überraschend gelungen, sich hinter einer gemeinsamen Kandidatur zu versammeln. Anfang März hatte der CNE nach Treffen mit verschiedenen politischen Parteien und Interessengruppen den 28. Juli – den Geburtstag von Hugo Chávez – als Wahltermin festgelegt. Offensichtlich folgte die Regierung dem Kalkül, dass sich die Mehrheitsopposition nicht auf eine gemeinsame Ersatzkandidatur für die Wunschkandidatin María Corina Machado würde einigen können. Das PUD-Bündnis ließ sich jedoch nicht von seinem neuen Kurs abbringen, einen Machtwechsel über Wahlen zu erreichen.
Nachdem der Wahlrat auch der Ersatzkandidatin Corina Yoris, einer 80-jährigen Professorin ohne Erfahrung in politischen Ämtern, die Einschreibung verweigert hatte, registrierte das Bündnis den früheren Diplomaten Edmundo González Urrutia zunächst als Platzhalter. Dieser war in der Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt gänzlich unbekannt. Seit 2002, als er noch unter Chávez als Botschafter in Argentinien tätig war, trat er praktisch nicht mehr in Erscheinung. Neben ihm kandidierten acht weitere moderate Regierungsgegner (ausschließlich Männer), die das PUD-Bündnis überwiegend als »gekaufte« Opposition kritisierte. Linke Gegenkandidaturen aus dem regierungskritischen Chavismus wurden nicht zugelassen.
Die Kandidatur González’ musste die Regierung letztlich akzeptieren. Selbst Verbündete wie der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva und sein kolumbianischer Amtskollege Gustavo Petro sprachen sich öffentlich für kompetitive Wahlen in Venezuela aus. Im Hintergrund liefen zudem Verhandlungen mit der Opposition und der US-Regierung.
Die Herausforderung für die rechte Opposition bestand darin, die hohen Umfragewerte Machados auf den weitgehend unbekannten und wenig charismatischen González zu übertragen. Den Wahlkampf auf der Straße bestritt zunächst fast ausschließlich Machado. Schon vor Beginn der offiziellen Kampagne absolvierte sie dutzende Auftritte in verschiedenen Bundesstaaten und gab sich in ihren Ansprachen moderater als früher. Die Regierung konterte jeweils mit eigenen Kundgebungen in denselben Regionen. In mehreren Fällen verhängten verschiedene Behörden anschließend Sanktionen gegen Hotels oder Restaurants, die Machado im Rahmen ihrer Wahlkampfauftritte nutzte.
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