Auf einer Punk-Party 2013 in Leipzig fragte mich ein Einheimischer mit Irokesenschnitt, woher ich denn sei, um auf die Antwort »Wien« überraschend zu reagieren: »Aus Österreich kenne ich nur Hermes Phettberg. Lebt der noch?« Phettbergs Nette Leit Show im ORF hatte ich Mitte der 90er-Jahre gesehen und das Nachfolgeformat auf ATV, bei dem er Prominenten die Beichte abnahm, verfolgt. Besonders in Erinnerung geblieben war mir eine Szene, als er sich nackt in einer übergehenden Badewanne niederließ. Damals aber war er seit rund zehn Jahren von der Bildfläche verschwunden.
Mich interessierte sowohl der Punk als auch der Verbleib von Hermes Phettberg, weswegen ich Zweiterem einen Besuch abstattete, um Ersterem zu berichten. Phettberg hatte zu diesem Zeitpunkt drei Schlaganfälle hinter sich, von seinem voluminösen Bauch war nur eine Hautschürze geblieben. Das Geld, das er mit seinen Shows verdient hatte, habe er verfressen, sagte er, nun ernähre er sich konsequent gesund. Das Sprechen fiel ihm schwer, sein Geist funktionierte wie eh und je. Er ging am Rollator, doch dank eines ausgeklügelten Helfernetzwerks verschaffte er sich Bewegungsfreiheit.
Im folgenden Jahr begleitete ich ihn zu Ärzten, Vernissagen, Filmaufnahmen und Konzerten, in die katholische Messe oder auf schamanischen Reisen. Als Fotografin achte ich darauf, die Grenzen der Abgelichteten zu wahren. Bei Phettberg lief es andersrum. Meine Weigerung, in manchen Situationen auf den Auslöser zu drücken, quittierte er mit einem Wutanfall. Viel öfter bedankte er sich bei mir. Die Zusammenarbeit fand mit der Ausstellung der Arbeiten ein Ende. Manchmal rief er danach an, weil er sich mit einem ganzen Huhn aus dem Hause Wienerwald umbringen wollte und ich es ihm bestellen sollte. Aber eigentlich wollte er ewig leben – durch die Bilder, die von ihm bleiben.





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