Adieu, Rudi
von Jana Volkmann
NACHDRUCK #16 | Erinnerungen an einen lieben Kollegen aus der Verlagswelt
Eigentlich schreiben wir im TAGEBUCH an dieser Stelle über Internes: Wir haken nach, wenn sich bei Themen aus den letzten Nummern wichtige Veränderungen ergeben haben, gewähren Einblicke in die redaktionelle Arbeit oder nutzen diesen Platz für Klar- und Richtigstellungen.
Dass diese schlichte Regel hiermit gebrochen wird, ganz bewusst, das hätte Rudi Gradnitzer vielleicht ein wenig gefallen – dieser »Nachdruck« ist ihm gewidmet, denn Rudi ist kurz vor dem 1. Mai mit nicht einmal 50 Jahren nach langer Krankheit verstorben. Und hier sitzen wir nun, traurig und ratlos, wie damit umzugehen ist, wenn jemand so Wichtiges so früh die Bühne verlässt. Rudi war einer der Köpfe und Herzen hinter dem Wiener Verlag Bahoe Books. Er selbst hat die Bühne eigentlich immer gemieden, oder anders gesagt: sie den Büchern des Verlags, den Autor:innen, Illustrator:innen und Künstler:innen überlassen. In Zeiten, in denen gern getan wird, als gäbe es nichts Relevanteres als Selbstdarstellung, fuhren »die Bahoes« ein radikal anderes Programm – ungeheuer umtriebig und zugleich angenehm enigmatisch. Es gibt niemanden, wirklich niemanden in Wien, der oder die nicht ihre Plakate kennt. Schließlich sind sie überall, auf dem Uni-Campus, in den äußersten Randbezirken und an jedem erdenklichen Stromkasten zwischen Floridsdorf und Penzing, und sie überdauern jede schnöde Werbetafel, bleiben, bis die Sonne sie bleicht. »Das Signal unter den Geräuschen«, heißt es auf einem der Plakate, und das ist nicht bloß ein Slogan, sondern ein aufrichtiges Versprechen.
2011 gegründet, hat der Verlag im Eiltempo eine Entwicklung von einer nah an politischen Bewegungen und aktivistischen Kreisen agierenden Samizdat-Publizistik hin zu klassischeren Vertriebswegen (und also immer größeren Auflagen und einem immer größeren Publikum) hingelegt. Mittlerweile erscheinen bei Bahoe Books politische Sachbücher, Literatur, auch zahlreiche Graphic Novels, Kinderbücher, Bildbände; schräg gegenüber vom Hauptquartier des Verlags im ersten Wiener Gemeindebezirk gibt es seit einigen Jahren auch das Bahoe Art House, das als Galerie und Veranstaltungsraum dient.
Ich erinnere mich besonders an flüchtige Begegnungen mit Rudi, die meist kurz waren, aber merkwürdig schön. Wie er mit dem Fahrrad im Votivpark an mir vorbeifuhr und dann stehen blieb, um kurz zu plaudern. An die zahlreichen Einladungen, Rezensionsexemplare doch lieber im Verlag abzuholen und auf einen Kaffee zu bleiben, statt sie per Post kommen zu lassen – und schon waren über die Gespräche über die japanische Linke in den 60er-Jahren oder aktuelle politische Bewegungen die Stunden ins Land gezogen.
Viele, die diesen Text lesen werden, werden Rudi sehr viel besser gekannt haben. Als Freund, Genossen, Weggefährten, Kollegen. Sie werden ihre eigenen Erinnerungen an ihn am Leben halten, nicht als bloße Geräuschkulisse, sondern als Signal.
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