Vertraute Feinde

von Christian Bunke

Illustration: Aelfleda Clackson

Im Zuge der Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen gerät die Polizei mit einem Bevölkerungsteil in Konflikt, den sie bislang zu ihren Bündnispartnern zählte – dem konservativen und rechten Mittelstand.


2466 wörter
~10 minuten

»Reißt euch die Fetzen aus dem Gesicht«, ruft der Musiker über seine Akustikgitarre hinweg in das Mikrofon. Die langen Haare kleben ihm nass an den Schläfen, gute Stimmung will bei dem Wetter nicht so recht aufkommen. Im Nieselregen vor der Bühne wickelt man sich die mitgebrachten Österreichflaggen um die Schultern. Am Rande des Wiener Heldenplatzes, gegenüber der Bühne vor der Nationalbibliothek, stehen mehrere Leute mit einem Pappschild – »Polizei und Militär, bringt uns unsere Freiheit wieder her!«. Etwas weiter vorne hält ein Mann ein anderes Schild hoch: »Berufssoldaten gegen Impfpflicht«. Währenddessen gehen Polizisten in Gruppen durch die Reihen und fordern die Anwesenden auf, eine Maske zu tragen. Ein aussichtsloses Unterfangen, denn kaum jemand unter den hunderten Versammelten trägt einen Mund-Nasen-Schutz. Ein junger Mann zeigt ein Attest vor, das ihn von der Maskenpflicht befreit. Er bleibt an diesem Samstag unbehelligt. Im Abgang klopft er dem Beamten kumpelhaft auf die Schulter.

Es sind Szenen wie diese, die seit einigen Monaten für ungläubiges Staunen sorgen: uniformierte Einsatzleiter, die Aktivisten aus dem rechtsextremen Milieu freundschaftlich per Faustcheck begrüßen. Polizisten, die mit Demonstrantinnen fröhlich grinsend Selfies aufnehmen. Nicht zuletzt die einsatztaktische Zurückhaltung, selbst dann, wenn Demonstranten auf Polizeiketten zustürmen und diese angreifen. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Anti-Maßnahmen-Demonstrationen begegnet die Wiener Polizei so, wie man es nicht von ihr kennt – zuvorkommend. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich – der kruden Mischung der Demonstranten zum Trotz – der harte Kern aus Kadern des rechtsextremen und neofaschistischen Milieus zusammensetzt.

Angriffe auf die Presse

Michael Bonvalot und Julia Spacil sind als freie Journalisten tätig und begleiten die Anti-Maßnahmen-Demos von Anfang an. Spacil fotografiert für unterschiedliche Medien, Bonvalot sendet regelmäßig Livevideos auf Twitter. Seit geraumer Zeit dokumentiert er die Demos nicht mehr ohne Security-Team. In der Regel ist er behelmt, er berichtet von Flaschenwürfen und versuchten Faustschlägen. Auch Julia Spacil erzählt davon, dass sie ein Demoteilnehmer ins Gesicht geschlagen habe: »40 bis 50 Polizisten standen drumherum und sind nicht eingeschritten.« Sämtliche Anzeigen nach tätlichen Angriffen habe sie selbst stellen müssen, zu einer Anklageerhebung ist es bislang in keinem einzigen Fall gekommen. »Ich habe nicht den Eindruck, als wären die Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten ein großes Problem für die Polizei«, sagt Bonvalot. »Manche Beamte haben ein rudimentäres Bewusstsein, anderen ist es vollkommen egal. Als ich einmal gemerkt habe, dass ein Angriff auf mich bevorsteht, habe ich einen Polizisten in meiner Nähe gefragt, ob er kurz dableiben kann. Er sagte nur: ›Nehmen S’ halt die Beine in die Hand‹, und fuhr mit seinem Motorrad weg.«

Diese Angriffe und die Ignoranz der Polizei ihnen gegenüber mögen im Fall von Spacil und Bonvalot auch daran liegen, dass beide in der Vergangenheit bekannte Akteure des linken Spektrums waren. Bonvalot war in den 1990er und frühen 2000er Jahren Sprecher der trotzkistisch ausgerichteten Wiener Gruppe Antifaschistische Linke. Spacil wiederum war im Verband Sozialistischer Student_innen aktiv und als Sachbearbeiterin im Referat für antifaschistische Gesellschaftskritik der Österreichischen Hochschüler_innenschaft tätig. Auf den von 2008 bis 2015 stattfindenden Demos gegen den Ball des Wiener Korporationsrings (WKR) und seine Nachfolgeveranstaltung, den Wiener Akademikerball, stand man vielfach dem sich zum Tanz zusammenfindenden Milieu des österreichischen Rechtsextremismus wie auch der Polizei gegenüber, die die Ballgäste schützte.

Sieben Jahre nach der letzten Demo gegen den Akademikerball steht das Aufeinandertreffen dieser Tage unter veränderten Vorzeichen. Anstatt der Linken besetzt heute die extreme Rechte die Straßen. Eine Gemengelage, die die Wiener Polizei offensichtlich schwer verwirrt.

Für die Polizei sei diese Konstellation neu, sagt Paul Herbinger, der am Vienna Centre for Societal Security in Wien forscht. Gemeinsam mit Roger von Laufenberg und Angelika Adensamer hat Herbinger zuletzt einen Aufsatz für die Zeitschrift Neue Kriminalpolitik mit dem Titel »Polizieren der Pandemie als Mehrebenen-Problem« veröffentlicht. Darin wird auch ein »polizeiinterner Widerstand gegen die Maßnahmen« beschrieben, »wodurch (…) die interne Legitimität und das eigene Rollenverständnis der Polizei« infrage gestellt worden sei. »Die Polizisten, die wir interviewen, erzählen uns, dass man auf linken Demos nicht in der Form angegriffen wird wie auf den Covid-Demos. Von den Covid-Demos wird eine viel offener auftretende Feindschaft der Polizei gegenüber beschrieben«, sagt Herbinger. Gleichzeitig gäbe es »eine Spaltung innerhalb der Polizei, zwischen jenen, die leugnen, und jenen, die die Schnauze voll von der Pandemiesituation haben«. Das bedrohe auch das Konzept der »inneren Einheit«, die in der »Cop Culture« tief verankert ist und als Grundvoraussetzung dafür gilt, im staatlichen Auftrag überhaupt »Recht und Ordnung« durchsetzen zu können.

Die Aufrechterhaltung dieser inneren Einheit gelang der hiesigen Polizei von einigen wenigen historischen Momenten abgesehen – siehe dazu Robert Rotifers Beitrag – nur, solange der Feind links stand.

Das lässt sich bis zur Gründung der Gendarmerie in den Revolutionsjahren 1848/49 zurückverfolgen, deren Ziel es war, die in der bürgerlichen Revolution angelegten demokratischen Bestrebungen zu bekämpfen. Die folgenden Jahrzehnte waren durch Einsätze gegen die Arbeiterbewegung und die aufstrebenden Nationalbewegungen in der Habsburgermonarchie geprägt. An der grundsätzlichen Funktion der Gendarmerie änderte auch der Übergang von der Monarchie zur Republik nichts – sie blieb ein parteiischer Akteur und exekutierte in einem von antagonistischen Interessen geprägten Staatswesen die der Herrschenden.

Die burgenländische Ortschaft Schattendorf wurde am 30. Jänner 1927 Schauplatz eines durch antisemitische, rechtsextreme Frontkämpferverbände ausgeübten Doppelmordes an einem sozialdemokratischen Arbeiter und einem sechsjährigen Kind. Dem Freispruch der vom Nationalsozialisten Walter Riehl verteidigten drei Schützen am 14. Juli 1927 folgten Arbeiteraufstände in Wien. Am Tag darauf steckten Arbeiterinnen und Arbeiter den Justizpalast in Brand. Die vom christlich-sozialen Polizeichef Johann Schober befehligte Gendarmerie schoss in die Menge, 89 Menschen wurden getötet, 1.000 verletzt. Gegen den »Terror der Polizei« streikte die Wiener Arbeiterschaft am 16. Juli. Die Polizei ging dagegen mit aufgesteckten Bajonetten vor.

Ihre Bajonette zeigte die Gendarmerie auch, als österreichische Arbeiter im Herbst 1950 gegen das von den Gewerkschaften offiziell befürwortete Lohn-Preis-Abkommen streikten und auf die Straße gingen. In vielen Betrieben mobilisierten sowohl kommunistische wie auch sozialdemokratische Betriebsräte gegen die zu erwartenden drastischen Preissteigerungen. So sollten sich allein die Brotpreise laut dem Abkommen um 26 Prozent erhöhen, die Löhne aber niedrig bleiben. Letztlich wurde dieser Streik jedoch nicht durch die Polizei, sondern von den mit Dachlatten ausgestatteten Kommandos der Bau-Holz-Gewerkschaft niedergeschlagen. Auf der Homepage der Landespolizeidirektion (LPD) Wien schreibt der »Polizeihistoriker« Gerald Hesztera dazu: »Die Schlagkraft der Gendarmerie bewährte sich während der Unruhen im Oktober 1950. Die konsequent antikommunistische Haltung der Bewohner und der Einsatz der Sicherheitskräfte trugen dazu bei, einen befürchteten kommunistischen Umsturz zu verhindern.« Die wissenschaftlich längst widerlegte Mär vom kommunistischen Putschversuch, in der LPD Wien lebt sie fort.

Organisierung via Telegram

Die Revolution von 1848, der Justizpalastbrand 1927, der Oktoberstreik 1950: Beispiele, in denen die Polizei entlang klarer Fronten agierte. Hier die etablierte autoritäre Ordnung, dort der behauptete Umsturzversuch durch den politisch links stehenden Gegner. Heute, im Umgang mit den sich radikalisierenden Protesten der Maßnahmengegnerinnen, scheint diese klare Frontlinie aus Sicht vieler Polizisten nicht mehr so deutlich. Sie verschwimmt in dem Maße, in dem der gesellschaftliche Konflikt rund um die Impfpflicht sich auch innerhalb der bewaffneten uniformierten Kräfte des Staates selbst manifestiert, glaubt Paul Herbinger.

Ende Januar im 17. Wiener Gemeindebezirk. Durch einen begrünten Hinterhof kommt man in ein kleines Haus, über eine geschwungene Eichentreppe in Uwe Eglaus Arbeitszimmer. Auf dem Schreibtisch stapeln sich Bücher, an den Wänden hängen dutzende Devotionalien und gerahmte akademische Titel. Es riecht nach Weihrauch, der aus einem sanft leuchtenden Diffuser neben dem Sofa strömt. Der ehemalige Polizeiseelsorger Eglau sitzt in einem roten Ohrensessel und zeigt auf seinem Handy die Telegram-Gruppe, in der sich Polizistinnen und Polizisten entschlossen hatten, in einem offenen Brief den österreichischen Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) aufzufordern, die Impfpflicht zurückzunehmen. Ende Jänner zählte sie 643 Mitglieder.

»Die Revolution von 1848, der Justizpalastbrand 1927, der Oktoberstreik 1950: Beispiele, in denen die Polizei entlang klarer Fronten agierte. Hier die etablierte autoritäre Ordnung, dort der behauptete Umsturzversuch. im Umgang mit den Protesten der Maßnahmengegner scheint diese klare Frontlinie aus Sicht vieler Polizisten nicht mehr so deutlich.«

Erst kurz zuvor wurde Eglau vom Erzbistum Wien vom Dienst freigestellt, inzwischen ist die Kündigung der Landespolizeidirektion eingetrudelt. Doch Uwe Eglau fühlt sich im Recht, das hat er klargemacht: Bei Servus TV, im Youtube-Format FPÖ-TV, auf der FPÖ-Bühne einer Corona-Demo in Wien, am Stand der »impfkritischen« Partei MFG.

»Ich habe nicht darüber nachgedacht, dass wir der FPÖ und noch Rechteren in die Karten spielen, wenn ich auf ihrer Bühne auf den Demos spreche. Das nächste Mal distanziere ich mich, ich bin ganz sicher kein FPÖler oder Verschwörer, ich war schon immer ÖVP«, sagt Eglau. Es scheint ihm ernst. Doch am Abend darauf wird er in einer Talkrunde von Servus TV sitzen und sich nicht von der FPÖ und antisemitischen Verschwörungserzählern distanzieren.

Michael Bonvalot erinnert daran, dass »überdurchschnittlich viele Polizisten AUF wählen. Sie machen die Fundamentalopposition innerhalb der Polizei aus und wissen substanzielle Teile ihrer Basis hinter sich.« Tatsächlich ist die Zustimmung zur FPÖ und ihrer Gewerkschaftsfraktion AUF (Aktion Unabhängiger und Freiheitlicher) innerhalb der Polizei deutlich höher als im Rest der Bevölkerung.

Alle fünf Jahre wählen die österreichischen Bundesbediensteten ihre Personalvertretungen. Die ÖVP-nahe Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG) erhielt 2019 die absolute Mehrheit, mit rund 53 Prozent. Die Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG) wurde mit rund einem Viertel der Stimmen zweitstärkste Kraft. Die AUF lag mit sieben Prozent hinter den Unabhängigen Gewerkschafterinnen (UG) an vierter Stelle. Anders sah es bei der Polizei aus: Hier verzeichnete die AUF mit 22 Prozent ihr zweitbestes Ergebnis, nur getoppt durch den Spitzenwert von 27 Prozent im Militär. Diese überdurchschnittlich hohen Werte für das blaue Lager unter den blau Uniformierten haben eine berühmte Entsprechung im Wiener Wahlsprengel 44 in Ottakring. Hier steht eine Wohnanlage für Polizisten und ihre Familien. Selbst nach der Implosion des Dritten Lagers im Gefolge des Ibiza-Videos holte die FPÖ bei der Wien-Wahl im Jahr 2020 im Sprengel 44 rund 27 Prozent. Für die Soziologin Andrea Kretschmann (siehe dazu das Gespräch) kommt all das nicht überraschend, immerhin ist »die Polizei eine strukturell konservative Institution, ihre Aufgabe ist es nun einmal, eine bestehende Ordnung aufrechtzuerhalten. Das heißt auch, dass sie in der Tendenz eher Kräfte versammelt, die man als konservativ bezeichnen kann.«

Abgesehen von der offensichtlichen Spaltung unter den einfachen Polizistinnen und Polizisten tut sich auch die Führungsebene des Innenministeriums – insbesondere dann, wenn Impfgegner, wie zuletzt im niederösterreichischen Waidhofen, an der Dominanz der ÖVP rütteln – sichtlich schwer damit, den Charakter der Anti-Maßnahmen-Demos akkurat einzuschätzen. Bis zum 21. Dezember des Vorjahres sollte es etwa dauern, bis der Chef des Verfassungsschutzes, Omar Haijawi-Pirchner, verlautbaren ließ, dass er die Szene der Corona-Leugner nun doch als »derzeit größte Bedrohung für die Sicherheit« einschätze. Ganz so weit wie der eben erst berufene Haijawi-Pirchner will man im Innenministerium aber nicht gehen. Auf Anfrage erklärte Ministeriumssprecher Harald Sörös: »Weder stellen Demonstrationen gegen Maßnahmen der Bundesregierung per se eine Bedrohung für die Sicherheit Österreichs dar, sondern vielmehr bestimmte Gruppierungen.«

Wie wenig ernst die Polizei die Anti-Maßnahmen-Demonstrationen heute nimmt, lässt sich nicht nur, aber auch an ihrer Einsatztaktik ablesen: Bei der bisher größten Anti-Maßnahmen-Demo in Wien am 20. November letzten Jahres waren 44.000 Menschen auf der Straße, die Polizei war mit rund 1.000 Beamten im Einsatz, zehn Personen wurden festgenommen. Als am 8. Jänner erneut rund 40.000 Menschen in Wien gegen die Maßnahmen demonstrierten, stellte die Polizei abermals nur 1.000 Beamtinnen. Die Fotojournalistin Spacil kann dieses Vorgehen nicht verstehen. »Bei den NoWKR-Protesten im Jahr 2015 stand die Polizei den etwa 5.000 Demonstrantinnen mit 4.000 Beamten gegenüber. Der Akademikerball wurde damals mit einer riesigen Sperrzone abgeriegelt, heute wird nicht einmal das provisorische Parlamentsgebäude am Heldenplatz ausreichend geschützt.« Auch Michael Bonvalot ortet doppelte Standards. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Angriffe auf die Polizei, die es bei den Corona-Leugner-Demos gegeben hat, auf linken Demos ungeahndet bleiben würden«, sagt er. Und hat auch eine mögliche Erklärung parat: »Das ÖVP-geführte Innenministerium sieht natürlich, dass auf diesen Demos auch Teile der eigenen Zielgruppe marschieren.«

»Paul Herbinger kommt zum Schluss, dass sich auf den Aufmärschen zum überwiegenden Teil Mitglieder der ›Dominanzgesellschaft‹ tummeln. ›Und mit diesem Segment der Gesellschaft pflegt die Polizei einen anderen Umgang als etwa mit marginalisierten Gruppen.‹«

Ein reaktionäres Publikum

Jakob-Moritz Eberl von der Universität Wien hat die Zusammensetzung der Menschen auf den Corona-Demonstrationen untersucht. Sein Team hat herausgefunden, dass rund 60 Prozent jener, die angeben, die FPÖ zu wählen, auch die Demonstrationen unterstützen. Und dass Befragte, die relativ gesehen mehr Vertrauen in die Polizei haben als in andere politische und gesellschaftliche Institutionen, eher dazu neigen, die Demonstrationen zu unterstützen.

Bonvalot sagt, es sei ein »vorwiegend ländliches rechts-konservativ bis reaktionäres Publikum«, das sich auf den Aufmärschen in Wien treffe. Vielen fehle die Ortskenntnis in der Stadt, weshalb sich teils sogar ganze Demozüge verirren würden. »Was auffällt, ist die starke Präsenz der FPÖ und dass kaum Migrantinnen sichtbar sind. Auf den Demos marschieren in der ersten Reihe oft Identitäre. Diese Leute machen den Rammbock, sind vermummt und haben Knüppelfahnen dabei.«

Paul Herbinger betont zwar den »heterodoxen Charakter« der Anti-Maßnahmen-Demos, aber auch er kommt zu dem Schluss, dass sich auf den Aufmärschen zum überwiegenden Teil Mitglieder der »Dominanzgesellschaft« tummeln. Studien aus anderen Ländern, etwa aus Griechenland, würden zudem zeigen, dass die Demos zu großen Teilen von einer im Abstieg begriffenen Mittelschicht besucht würden. »Und mit diesem Segment der Gesellschaft pflegt die Polizei einen anderen Umgang als etwa mit marginalisierten Gruppen.«

Wozu die Fälle Marcus Omofuma (2000) und Seibane Wague (2003), zu Tode gebracht von österreichischen Polizisten, die Folterung von Bakaray J. (2006), begangen von österreichischen Polizisten, die alltägliche Repression Deklassierter und die zahllosen Übergriffe auf linke Aktivistinnen nicht gereichten, das scheinen die Anti-Maßnahmen-Demos und ihr polizeiliches Management zu besorgen: Die Corona-Krise, von der man sagt, sie mache wie unter einem Brennglas die Widersprüche unserer Gesellschaft kenntlich, leuchtet auch die Rolle der Polizei im Staat neu aus.

Zuletzt unternahm die Wiener Polizei am 1. Februar einen Anlauf, die innere Einheit wiederherzustellen. Zur Räumung der von Klimaaktivistinnen besetzten Stadtstraßen-Baustelle in Hirschstetten kam sie mit Hundertschaften, riegelte das Gebiet großräumig ab und beendete den friedlichen Protest mit Gewalt. Die Wiener Linien sekundierten bereitwillig und stellten den öffentlichen Verkehr im gesamten Gebiet still, um den Zustrom von Aktivisten und solidarischen Menschen zu unterbinden. Für die Polizei war es ein Akt der Selbstvergewisserung. Was sie dazu braucht? Einen Feind, den man kennt.

Mitarbeit: Lisa Kreutzer

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