Grenzfalle revisited

von Lisa Kreutzer

Illustration: Aelfleda Clackson

Die österreichische Polizei führt illegale Pushbacks teilweise methodisch durch, das wurde gerichtlich bestätigt. Für die Betroffenen bringt das kaum Erleichterung.


366 wörter
~2 minuten

Im Juli des vergangenen Jahres kontaktierte ich bei Facebook einen jungen Mann aus Marokko, Ayoub N. Wir verabredeten uns zu einem Videotelefonat – ich saß in Wien, er in einer Baracke an der bosnischen Grenze zu Kroatien. Sieben Monate zuvor war er von österreichischen Polizeibeamten in einem Maisfeld in der Südoststeiermark aufgegriffen, abgeführt und verhört worden. Er erzählte mir, dass er sich in einem kleinen Grenzcontainer in Sicheldorf nackt ausziehen und vor den Beamten in die Hocke gehen musste. Mehrmals sagte er »Asyl«, die Beamtinnen ignorierten ihn. Kurz darauf wurde er illegal zurückgewiesen. Mit Hilfe der Aktivisten von Pushback Alarm Austria landete sein Fall bei Rechtsanwalt Clemens Lahner und so vor dem Landesverwaltungsgericht in Graz. Damals saß ich, als einzige Vertreterin der Presse, in den spärlich besetzten Zuschauerreihen. Das Gericht entschied, dass Ayub N.s Rückweisung rechtswidrig war, und vermerkte, dass Pushbacks in Österreich teilweise methodisch Anwendung finden. Kurz: Beamte ignorieren immer wieder Asylansuchen. Vor genau einem Jahr schrieb ich im TAGEBUCH: »In den Äckern und Wäldern der südsteirischen Grenzregion wurden im vergangenen Jahr 181 Personen ohne Papiere aufgegriffen. 162 von ihnen wurden ohne ein Asylverfahren innerhalb von nur wenigen Stunden an die slowenische Polizei übergeben. Nur 19 Personen stellten einen Antrag auf Asyl, gab der Behördenvertreter vor dem Verwaltungsgericht Graz bekannt.« Dieses Verhältnis hielt ich für unglaubwürdig.

Was damals noch Verdachtsberichterstattung war, hat im Juni der Verwaltungsgerichtshof bestätigt: Es wies die Revision der Polizei zurück und bestätigte das damalige Urteil. Doch auch wenn das Urteil Ayoub N. recht gibt, an seiner Situation ändert es nichts: Er darf bis heute nicht zurück nach Österreich, um hier einen Asylantrag zu stellen.

Pushback Alarm Austria und die Asylkoordination Österreich haben einen umfassenden Forderungskatalog vorgelegt, um diese systematische menschenrechtswidrige Praxis an den EU-Grenzen abzustellen. Um illegale Pushbacks schon im Vorhinein zu verhindern, braucht es etwa verpflichtende Fragebögen und ausreichend Dolmetscherinnen, die die Kommunikation erleichtern sollen, sobald Menschen in Grenzgebieten aufgegriffen werden. Außerdem verlangen die beiden NGOs Disziplinarverfahren gegen beteiligte Beamte, eine Entschädigung für die Betroffenen und das Recht zur Wiedereinreise. Wer in Österreich Asyl erhält oder nicht, das entscheiden nicht Grenzbeamte.

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