Gegen Ende seines Lebens hat der Widerstandskämpfer, Buchenwald-Häftling und Schriftsteller Jorge Semprún auf die Frage, was ihm für die Zukunft Angst mache, zur Antwort gegeben: »Die Erinnerung. Es verschwinden die Zeugen der Erinnerung.« Das Präsens, das Semprún verwendet hat, ist inzwischen der Vergangenheitsform gewichen. Mit welchen Konsequenzen, wurde mir bewusst, als ich in TAGEBUCH No 12/1|2023/24 das lange Interview las, das David Mayer mit Andreas Kranebitter, dem neuen wissenschaftlichen Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, geführt hat. Darin wiederholt Kranebitter seine bei der letztjährigen Gedenkfeier in Gusen vertretene These, dass die wegen krimineller Delikte in ein Konzentrationslager eingewiesenen Häftlinge en gros – also nicht nur in Einzelfällen – »den zahllosen Formen und Farben« des Widerstands zuzurechnen seien.