V on 1947 bis 1957 und dann nochmals zwischen 1960 und 1966 ist der kommunistische Journalist und Schriftsteller Bruno Frei, allein oder gemeinsam mit Ernst Fischer und Viktor Matejka, als Herausgeber und leitender Redakteur der Zeitschrift Tagebuch tätig gewesen. Schon das wäre Anlass genug, sich in einem Periodikum, das durch seine Namensgebung die Tradition dieses kulturpolitischen Journals behaupten will, über zwei Neuerscheinungen zu freuen. Das eine, von Evelyn Adunka herausgegebene Buch bringt uns in den Genuss der ungemein anschaulichen, auch emphatischen Jugenderinnerungen des Autors, die vor Jahrzehnten unter Ausschluss der europäischen Öffentlichkeit, nämlich als Sonderdruck der Israel Nachrichten in Jerusalem veröffentlicht worden waren; im andern begeben wir uns mit Gerhard Oberkofler auf eine Reise durch das Werk des unermüdlichen Publizisten, der als Benedikt Freistadt 1897 in Pozsony/Preßburg, dem heutigen Bratislava, geboren wurde und nach Stationen in Wien, Berlin, Prag, Paris, Mexiko-Stadt, Wien, Peking und wieder Wien 1988, kurz vor seinem 91. Geburtstag, in Klosterneuburg gestorben ist.
Vom frommen Vater zum Rabbiner bestimmt, besuchte Frei eine Talmudschule, bis er sich durch das Tragen eines flotten Girardihuts als Abtrünniger offenbarte, kam schon ab fünfzehn als Nachhilfelehrer und Ansichtskartenhausierer für den eigenen Unterhalt auf, promovierte 1922 zum Doktor der Philosophie, begann aber noch während des Ersten Weltkriegs für die linke und pazifistische Tageszeitung Der Abend zu schreiben, deren Herausgeber Carl Colbert – dem Alexander Emanuely vor drei Jahren eine monumentale Studie gewidmet hat – das Talent seines jungen Mitarbeiters erkannte. Unter dem Eindruck der Julirevolte 1927 brach Frei mit der Sozialdemokratie; schon zuvor, Anfang der Zwanzigerjahre, hatte er als Berlin-Korrespondent des Abend enge Kontakte zu kommunistischen Schriftstellern und Intellektuellen geknüpft. 1929 betraute ihn Willi Münzenberg mit der Leitung der Zeitung Berlin am Morgen, die zwar der KPD nahestand, aber eine breite Leserschaft auch jenseits der Parteigrenzen gewann.
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