Die Verbannten von Ponza

von Barbara Eder

Illustration: Dani Maiz

Von 1926 an wurden italienische Antifaschisten auf Inseln verbannt. Teil eins eines Berichts über eine Reise zu den »isole di confino«.


3917 wörter
~16 minuten

In der süditalienischen Hafenstadt Formia ist der 24. Juni ein besonderer Tag. Jedes Jahr zieht an diesem Tag zur Mittagszeit ein Festzug an der Mole vorüber, angeführt von einem hölzernen Heiligen, umgeben von einem Strahlenkranz aus Draht. San Giovanni Battista ist in Blumen gebettet und schultert ein rotes Tuch, seine rechte Brust liegt frei. Der Schutzpatron hält ein Kreuz in seiner Linken, der Zeigefinger seiner Rechten weist der Prozession den Weg. Posaunen, Trommeln und Saxophone orchestrieren den Umzug mit Holzbüste an der Spitze, im Kleinformat ist sie in vielen Häusernischen präsent.

Am Ende des steinernen Dammes, der einen halben Kilometer ins Meer hineinragt, explodiert der erste Böller. Das Feuerwerk zu Ehren von Johannes dem Täufer hat eben erst begonnen. Aus den Düsen der Flugzeuge, die das Blau des Himmels durchkreuzen, strömen die Farben der italienischen Nationalflagge, sie hinterlassen drei unscharfe Streifen in der Luft. Die Bewohner der rund 134 Kilometer südöstlich von Rom gelegenen Küstenstadt begehen den Geburtstag ihres Heiligen mit der ihm im Italien der Gegenwart gebührenden Aufmerksamkeit. Am Ufer findet die mobile Statuette einen neuen Platz. Von dort aus soll sie die Netze der Fischer segnen und den Opfern des Meeres ewige Ruhe gewähren.

Am frühen Nachmittag dann reicht die Schlange vor dem weißen Häuschen mit dem Schriftzug »Laziomar« bereits bis zum Beginn der Mole. Die Wartenden weichen zur Seite, schaffen Platz für die sich in Auflösung befindliche Prozession. Der Ticketverkauf für eine der Fähren, die in den Sommermonaten mehrmals täglich in See stechen, war schon während der Veranstaltung in vollem Gange. In weniger als einer Stunde wird das Frachtschiff »Don Francesco« alle zahlenden Gäste zu einer Insel im Tyrrhenischen Meer bringen; sie zählt zur größten des pontinischen Archipels und ist an Wochenenden und Feiertagen ein beliebtes Urlaubsziel. In rund zweieinhalb Stunden Fahrtzeit erreicht das Transportschiff im Hafen von Formia das Ufer der Insel Ponza.

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