Wie wird es diesmal laufen? In Österreich steht die FPÖ vor ihrer dritten Regierungsbeteiligung auf Bundesebene seit der Jahrtausendwende. In den USA wurde Donald Trump als 47. Präsident vereidigt, nachdem er schon der 45. gewesen ist. In beiden Fällen beschleicht besorgte Beobachterinnen das Gefühl: Es wird keine Wiederholung der letzten Regierungszeiten geben. Die Regierung Kickl ist nicht die Regierung Kurz; Trump II ist nicht Trump I. Es wird schlimmer.

Das liegt nicht ausschließlich an den Führungspersonen. In den USA hat sich die Tech-Oligarchie geschlossen hinter Trump gestellt, allen voran der reichste und gefährlichste Mann der Welt. Was Elon Musk antreibt, welches Spiel er spielt und warum das auch für Europas Politik von größter Bedeutung ist, darüber schreibt Quinn Slobodian.

Österreich hat zwar keine vergleichbaren Mega-Milliardäre, doch auch hier wenden sich, zum ersten Mal in der Geschichte der Zweiten Republik, signifikante Teile des Industrie- und Bankkapitals der FPÖ zu. Sie sehen ihre Interessen von Herbert Kickl besser vertreten als von ihren traditionellen Repräsentanten in der ÖVP oder den freundlichen Neoliberalen der Neos. Mit der blau-schwarzen Bundesregierung treten, wie Samuel Stuhlpfarrer in dieser Ausgabe analysiert, »die Kräfteverhältnisse unverstellt zu Tage«. Was das für die Linke bedeutet, lesen Sie ebendort.

Entscheidend wird sein, was die Freiheitlichen unter Kickl mit der neu verliehenen Macht – und den damit verbundenen Ansprüchen – anfangen. Vertiefen sie – schlimm genug – die Rechtsentwicklung im Land und in Europa und machen dort weiter, wo sie durch den Ibiza-Skandal unterbrochen wurden? Oder wollen sie mit den institutionellen und habituellen Realitäten des politischen Systems brechen? Einiges deutet auf die zweite Variante hin. Medien sollen willfährig oder kaputt gemacht, die Schikanierung von Minderheiten vom Rechtsstaat nicht behindert werden. Was passiert, wenn sich gegen allzu forsches Vorgehen Widerstand im Staatsapparat, in Verwaltung oder Justiz regt? Wenn die FPÖ dem Trump-Playbook folgt, wäre der logische Schritt der Angriff auf den vermeintlichen »Deep State«. Die extreme Rechte an der Macht setzt dann eine kaum noch zu kontrollierende Dynamik im Volk frei. In den USA hatte sie sich am 6. Jänner 2021 in Washington, D. C., Bahn gebrochen, als Trumps Anhänger das Kapitol stürmten, um das Wahlergebnis mit Gewalt außer Kraft zu setzen.

Wie es diesmal laufen wird, hängt auch davon ab, ob und in welcher Form Gewalt Eingang in die politische Gegenwart findet. In der Titelgeschichte dieser Ausgabe erinnert Christof Mackinger daran, dass sie in Österreich auch nach 1945 nie verschwunden war. Sein historischer Rückblick ist von beklemmender Aktualität. Begleitet wird er von einem Gespräch, das Sonja Luksik mit Vida Bakondy und Gamze Ongan geführt hat. Die beiden haben eine Ausstellung zum rechtsextremen Bombenterror der 1990er-Jahre kuratiert, die gerade im burgenländischen Oberwart zu sehen ist. Dort, wo der Jörg-Haider-Fan Franz Fuchs vor 30 Jahren vier Roma mit einer Rohrbombe tötete. Bakondy stellt im Gespräch fest: »Eine Auseinandersetzung mit der Stimmung im Land, mit den Stammtischen und der entsprechenden Politik, die einen Täter wie Franz Fuchs überhaupt erst hervorgebracht haben, fehlte komplett«. Vielleicht ist auch das ein Teil der Erklärung dafür, wo das Land sich heute wiederfindet.

Zwei Anmerkungen noch in eigener Sache: In der Endfertigung der letzten TAGEBUCH-Ausgabe ist unserer Druckerei ein bedauernswerter Fehler unterlaufen: Ein Inserat wurde falsch platziert, wodurch Sonja Luksiks Beitrag über Margarete Schütte-Lihotzky auf Seite 44 jäh abbricht. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen!

Schließlich beginnt das neue Jahr mit einem Abschied. David Mayer, Redakteur dieser Zeitschrift seit ihrer ersten Ausgabe, wendet sich 2025 neuen Herausforderungen zu. Jana Volkmann würdigt sein Wirken, ich schließe mich im Namen der gesamten Redaktion an: Danke, David!

Davids bisherige Aufgaben gehen indes an zwei Autoren über, die den Leserinnen und Lesern des TAGEBUCH wohlbekannt sind: Schon mit dieser Ausgabe übernimmt der Schriftsteller Erich Hackl die Rubrik »Tagebuch im TAGEBUCH«. Die Koordination der Sachbuch-Rezensionen obliegt ab der kommenden Nummer wiederum Simon Nagy, der schon bisher regelmäßig als Rezensent in dieser Zeitschrift in Erscheinung getreten ist. Wir freuen uns auf die nun noch engere Zusammenarbeit!

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